Auf stillen Pfaden zum Bauerndom
Text und Fotos: Holger Martsch
Der Wetterbericht hatte Regen angekündigt. Trotzdem fanden sich am Samstag, 17. August 2019, 27 Mitglieder des Heimatvereins Drensteinfurt um 10 Uhr morgens vor der Alten Post zur Radtour nach Freckenhorst ein. Ziel: die Stiftskirche, inbegriffen eine kirchengeschichtliche und kunsthistorische Führung durch die Basilika.
Ein frischer, teils böiger Nordwestwind trieb die Radlergruppe vor sich her, es radelte sich leicht über die vom Tourleiter Norbert Unkhoff ausgesuchten, stillen Wirtschaftswege. Auf diese Weise vom Wind angetrieben erreichten die 27 Radler den Hof Lohmann, Station für das Mittagessen, bereits gegen 11.45 Uhr.
Hof Lohmann
Der ehemalige Bauernhof an der Landstraße 547 zwischen Hoetmar und Freckenhorst ist heute ein Unternehmen der „Freckenhorster Werkstätten“. Es bietet 65 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen. Ökologischer Landbau wird auf 22 Hektar Acker- und Weidefläche betrieben. Die hier erzeugten Produkte vermarktet die Hofgemeinschaft selbst, unter anderem im Café-Restaurant, in den Werkstattläden, in der regionalen Gastronomie, in Großküchen sowie in sozialen Einrichtungen.
Der Hof Lohmann bietet den Gästen Sitzplätze im Café-Restaurant und im Innenhof. Im hübsch ausgestalteten Hofladen können Besucher kleine Kunstwerke, zum Beispiel Kleinplastiken aus Kunstsandstein-Formguss, aber auch Agrarprodukte wie frisches Bio-Gemüse, Obst und Eier erwerben. Das Restaurant bietet täglich drei verschiedene Hauptgerichte an, dazu gibt es an bestimmten Tagen vergünstigte Sondertarife. Donnerstags zum Beispiel gibt es zum kleinen Preis Reibekuchen soviel wie man mag. Die vorzüglichen, knusprig ausgebackene Reibekuchen schienen neben den Schnitzeltellern das richtige für die Drensteinfurter zu sein, allen schmeckte das Essen hervorragend. Nach der Rast führten die verbleibenden vier Kilometer Radfahrt in das Ortszentrum zur Stiftskirche St. Bonifatius, wo der Gästeführer, Herr Rose, die Besucher aus Drensteinfurt empfing und ihnen anschließend eine qualifizierte Führung durch das beeindruckende Bauwerk bot.
St. Bonifatius Freckenhorst
Die Geschichte des Freckenhorster Stifts geht auf eine Klostergründung aus dem 9. Jahrhundert zurück. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Kloster ein freiweltliches Damenstift umgewandelt und 1811 im Zuge der Säkularisation aufgelöst. Die heutige Stiftskirche, auch „Bauerndom“ genannt, entstand später, nach dem Brand der Vorgängerbaus, einer Missionskirche. Eine lateinische Inschrift auf dem berühmten, in einem Stück aus Sandstein gefertigten Taufstein kündet vom Weihejahr der Kirche: 1129. Der kreuzförmige Basilikabau mit einem dreischiffigen Langhaus gilt neben der Patroklikirche in Soest als charakteristisches und bedeutendes Zeugnis romanischer Baukunst in Westfalen. In der Krypta findet sich, in Stein gemeißelt, die älteste niederdeutsche Inschrift. Fürstbischof Bernhard von Galen, landläufig wegen seiner Kriegslüsternheit auch „Bomben-Bernd“ genannt, hinterließ im südlichen Querhaus des Bauerndoms seine Spuren: der 1669 nach erfolgreicher Gegenreformation von ihm gestiftete barocke Thiatildisschrein weist auf die als erste Äbtissin eingesetzte Nichte des sächsischen Adeligen Everword hin. Zum Stift gehörte erheblicher Grundbesitz mit zahlreichen Bauernhöfen; deshalb behaupteten sich die stets aus adeligem Hause stammenden Äbtissinnen sehr emanzipiert und selbstbewusst gegenüber den Fürstbischöfen, ließen sich von diesen also niemals „die Butter vom Brot“ nehmen. (Man bedenke: Durch die Verquickung von Kirche und Politik ging es damals unter dem Mantel der Religiösität vor allem um Einfluss, Geld und Macht.) Westlich des Hauptturms liegt die Stiftskammer in der Petrikapelle. Sie birgt weitere Kunstschätze aus der Stiftsgeschichte. Der Bauerndom hat noch eine weitere Besonderheit: 12 Glocken aus verschiedenen Epochen. Wer deren Klang mithilfe des Internets hören möchte, findet auf YouTube ein entsprechendes Video unter dem Suchbegriff „Warendorf-Freckenhorst Stiftskirche St. Bonifatius - Teilgeläut“. Desweiteren lassen sich alle Glocken virtuell anschlagen: Auf der Seite „Glockenspiel“. (Flash muss installiert sein.)
Nach dem Verlassen der Kirche gab es doch noch „Segen von oben“ in Form eines kräftigen Regenschauers. Ein Heimatfreund meinte scherzhaft, Petrus zürne den Stewwertern, weil sie sich nicht lange genug in der Kirche aufgehalten hatten. All das jedoch konnte jedoch die mit gutem Regenzeug ausgestatteten Radler nicht beeindrucken. Nach kurzer Kaffeepause in Sendenhorst erreichten sie ihren Heimatort gegen 18.30 Uhr.