Besucher im Gespräch - Foto: H. Martsch

 

Auf der Zementroute

Text und Fotos: Holger Martsch

Heimatverein Drensteinfurt besucht das Beckumer Zementwerk Phoenix
Beckum, 26. Juli 2019

Eigentlich sollte der Besuch des Zementwerks mit einer geführten Radtour auf der Beckumer Zementroute beginnen, wegen des heißen Hochsommerwetters mit Temperaturen nahe 40 Grad Celsius musste der Heimatverein diese jedoch absagen. So ließen die 25 Teilnehmer die Fahrräder zu Hause und fuhren in Fahrgemeinschaften per PKW nach Beckum, wo sie gegen 10 Uhr am Phoenix-Zementwerk eintrafen, das am Ortsausgang von Beckum an der Stromberger Straße liegt.


Der ehemalige Werksleiter Herbert Krogbeumker, Urenkel des Firmengründers, empfing die Besucher aus Drensteinfurt, zusammen mit seinem Laborleiter Wolfgang Schnieder. Krogbeumker referierte etwa eine halbe Stunde lang unterhaltsam über die mittlerweile mehr als hundertjährige Geschichte und die technische Entwicklung des Zementwerks, das immer noch ein Familienunternehmen ist. Das Firmenkapital der GmbH & Co. KG liegt seit der Gründung in den Händen der Familie Krogbeumker und der jüdischen Familie Stein, die in den USA lebt und zu der seit 100 Jahren eine freundschaftliche Beziehung besteht.

„Wir haben viel Geld für den Umweltschutz in die Hand genommen.“

Heute spielt der Umweltschutz bei der Zementproduktion eine bedeutende Rolle. „Früher heizten wir die Brennöfen ausschließlich mit Kohle, später zeitweise abgelöst durch Heizöl“ berichtete Herbert Krogbeumker und ergänzte: „Heute sieht das ganz anders aus; zu 90 Prozent verwerten wir heute sogenannte Sekundärbrennstoffe, die wir umweltschonend verbrennen. Das sind zum Beispiel Reststoffe aus der Industrie, Tiermehl oder Abfälle, die uns die Mülldeponie Westkirchen liefert. Dabei scheiden generell Stoffe aus, die bei der Verbrennung giftige Gase entwickeln könnten. Bei Ofentemperaturen von um die 2000 Grad bildet sich auch nicht das gefürchtete Dioxin.“ Mit Ihrem Projekt „Phoenix 2020“ hat sich das Unternehmen weiteren Umweltschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Einbau noch effektiverer Filteranlagen, verschrieben.

Super-Gau ausgeschlossen

„Was passiert, wenn ein Zementwerk als industrielle Großanlage, die mit extrem hohen Temperaturen arbeitet, plötzlich durch einen Stromausfall nicht mehr kontrolliert werden kann?“ So lautete eine Frage aus den Reihen der Heimatfreunde. „Ein Super-Gau wie bei einem Atomkraftwerk brauchen wir nicht zu befürchten,“ erklärte Laborleiter Wolfgang Schnieder „wenn der Strom, weg ist, steht alles still. Nur der Ofen muss sich kontinuierlich weiterdrehen, weil er sich bei Stillstand durch ungleichmäßige Hitze gurkenförmig verformen würde und damit unbrauchbar wäre.“ Für einen solchen Fall habe man, so Schnieder, einen alten kleinen Benzinmotor aus einem VW Käfer angeflanscht, der trotz seiner nur 40 PS den Drehofen im Ernstfall in Bewegung halten kann. Ermöglicht werde das durch durch eine starke Getriebeuntersetzung.


Eindrucksvoller Gang durch das Werk

Während einer eindrucksvollen Werksführung konnten die Heimatfreunde aus Drensteinfurt die Herstellungstechnik hautnah erleben und die einzelnen Produktionsschritte vom Brechen des Rohmaterials über die chemische Umsetzung im Drehrohr-Brennofen bis zur Verpackung in Säcke verstehen lernen. In die Produktionskette integriert sind Automaten für Abfüllen und verpacken von bekannten heimischen Unternehmen wie Haver (Oelde) und Beumer (Beckum). Die Hitze des Drehofens und der Leitungen mit heißen Gasen war deutlich spürbar, besonders auch auf der oberen Plattform des Wärmetauscherturms. Hier erschloss sich den Drensteinfurtern ein weiter Blick auf das Beckumer Umland bis zum Teutoburger Wald und die nahen Kalksteinbrüche.

Zusammenarbeit mit den Umweltbehörden

Der Abbau des etwa 80 Millionen Jahre alten Kalkmergels, Grundstoff für die Zementindustrie, nagt rund um Beckum bis nach Neubeckum und Ennigerloh große Einschnitte in die Erdoberfläche. Was geschieht nach dem Abbau der Lagerflächen? Hier arbeiten die Umweltbehörden eng mit der Industrie zusammen. Renaturierungen und die Umwandlung in Erholungsgebiete sind teil bereits erfolgreich durchgeführt und teils konkret geplant wie ein neues Biotop mit Flachwasserzonen ganz nahe am „Phoenix“. In der näheren Umgebung des Phoenix-Zementwerks liegt auch der „Aktivpark Phoenix“ als Park für aktive Freizeitgestaltung der Bürger. Es ist mit seinem See ein ehemaliges Kalkstein-Abbaugebiet wie auch der Freizeitsee Tuttenbrock nahe der Autobahn 2, der für Wassersport ausgewiesen ist. Im Ortsteil Roland entstand ein See mit einem ihn umgebenden Park. Andere Abbaugebiete wurden in Lebensräume für verschiedenste Tiere umgewandelt und durch Geh- und Radwege der Öffentlichkeit erschlossen. Sie lassen sich wunderbar mit dem Fahrrad erkunden, wenn man sich auf der „Beckumer Zementroute“ bewegt. Eine geführte Radtour auf dieser Route, die vom Zentrum Beckums aus über Roland, Neubeckum und Vellern zu stillgelegten und noch aktiven Zementwerken sowie zu den Steinbrüchen führt, will der Heimatverein so bald als möglich anbieten.