
11.09.2022 Tag des Denkmals
Kunst der "Alte Post-Moderne" und neue Nachrichten zur Geschichte eines Drensteinfurter Wahrzeichens AK Geschichte und Kunst- und Kulturverein gestalten Tag des offenen Denkmals im Drensteinfurter Wahrzeichen Bericht: Liane Schmitz
Sie gilt als eines der bemerkenswertesten Fachwerkgebäude des Münsterlandes - die "Alte Post" in Drensteinfurt. Ist sie für einen relativ kleinen Ort doch ungewöhnlich groß und mit ihren mehrstufigen Giebeln sehr schmuckvoll. Wer hatte nur 1647, d. h. im Jahr 29 des 30jährigen Krieges, so viele Taler besessen, dass er sich einen solchen Bau leisten konnte und wollte? Denn als äußerst prachtvoll galt der Bau, auch wenn er 300 Jahre später als Rattenloch bezeichnet wurde und nach Meinung einiger am besten angezündet werden sollte. Die in verschiedenen Heften und Artikeln als Bauherr bezeichneten Personen schienen dem AK Geschichte im Heimatverein Drensteinfurt nicht sehr wahrscheinlich. Zweifel, die Anlass genug waren, sich im Jahr des 375sten Geburtstages des Hauses einmal intensiv mit dessen Geschichte zu beschäftigen.
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Seit Monaten stöberten deshalb Mitglieder des Arbeitskreises in Archiven, werten alte Baupläne und Fotos aus, betrachten fast jeden Balken auf Spuren früherer Nutzungen und luden überörtlich renommierte Bauhistoriker zu einem Fachgespräch ein. Erste Zwischenergebnisse wurden am international begangenen Tag des offenen Denkmals (11.9.) präsentiert. So erfuhren die Besucher etwas über den Bauherren und sein Leben und welche interessanten Fachwerkkonstruktionen bei dem Bau seines Hauses verwandt wurden. Interessierte konnten sich anhand von alten Bildern und auf einem Rundgang durchs Haus (einer "Architektour“) auf bauhistorische Spurensuche begeben, denn in 375 Jahren haben sich Bautechnik und Bedürfnisse verändert. Die Karriere als "Post" begann erst 1851, als hier eine Posthalterei (Postfuhrdienst) betrieben wurde. Als der damalige Besitzer Trentmann 1911 damit aufhörte, fehlte eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung und notwendige Reparaturen blieben aus. So ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass in den dem Betonbau zugeneigten Siebzigern der Ruf nach Abriss laut wurde, auch wenn Fachleute schon 80 Jahre zuvor von einem außerordentlichen Baudenkmal mit münsterlandweiter Bedeutung sprachen. Nach teils skurriler Diskussion - wie auch in der Ausstellung dokumentiert - gelang es, das heute als Wahrzeichen anzusehende Gebäude mit vielerlei Zuschüssen zu sanieren. Seitdem dient es als "Bürgerhaus" mit zahlreichen Funktionen. So ist es auch ein traditioneller Veranstaltungsort des Kunst- und Kulturvereins, der an diesem Tag unter dem Titel "Alte Post-Moderne" Werke von sechs Mitgliedern in zum Teil sonst nicht zugänglichen Räumen präsentierte. Außerdem wurden Einblicke in die stadtgeschichtliche Sammlung im 1. OG geboten. Paul Wickern und Reinhard Bünnigmann präsentierten auf den Tischen in der Upkammer ihre Unterlagen zur Postgeschichte.
Galerie
Die heutige Alte Post

Alte Post - Bürgerhaus Drensteinfurt
Bei der Alten Post handelt es sich um einen Vierständerbau, der von der Struktur her an einem münsterländischen Bauernhaus erinnert. Sie wurde 1647 vom Kölner Kaufmann Johan Bruninghaus und seine Ehefrau Sophia Mülheimer als Handelshaus errichtet, mit vorkragenden Geschossen und zwei Speicherstöcken, unterscheidet sie sich von den umliegenden Ackerbürgerhäusern durch ihre Größe, aber auch durch die räumliche Struktur und Funktion. Der Reichtum, der dem Besitzer zufloß, spiegelt sich in zahlreichen Fenster wieder, die aus handbemalten Bleiverglasungen bestanden. An der Upkammer und im Flettbereich waren Fenster vorhanden, während an zwei Speicherstöcken und am Vorbau Holzklappen angebracht waren. Die vorkragenden Geschosse werden optisch durch Knaggen abgestützt, die zu den wenigen künstlerisch gestalteten Elementen der 'Alten Post' zu zählen sind. Das unterschiedliche Aussehen der zwei Knaggen erklärt sich daraus, daß der Bau am Übergang zwischen Renaissance und Barock entstand und diese zwei Epochen in den verschiedenen Knaggen zum Ausdruck kommen.
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Zum Hauptgebäude gehörte das spätere Trentmannsche Haus (wurde im Rahmen der Stadtsanierung abgebrochen), das Brauhaus hinter
der Alten Post, in dem Bier gebraut wurde und das dem heutigen Hotel "Zum alten Brauhaus", das in unmittelbarer Nähe an der
Mühlenstrasse steht. Das Pfort- und Holzhaus, links neben der Alten Post, bot die Möglichkeit der Durchfahrt, so das die Gespanne
bis zum Brauhaus durchfahren konnten. Das Holzhaus gehörte später dem Juden Terhoch. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der untere
Teil der Fassade verklinkert und beherbergte vorübergehend eine Metzgerei. (wurde im Rahmen der Stadtsanierung ebenfalls
abgebrochen).
Eine Landfläche hinter dem großen Kreuz an der Hammerstrasse gehörte zum Besitz der Alten Post. Während die
normalen Ackerbürger ein Handwerk betrieben (Holzschuhmacher, Sattler, Müller), beschäftigte sich der Besitzer der Alten Post mit
dem Handel. Winhold Anton Smeddinck erwarb die Alte Post im April 1800 und konnte mit dem Gebäude die Schulden, die in der Urkunde
erwähnt sind und auf dem Besitz lasteten, begleichen. Im Jahr 1802 vermählten sich Winhold Smeddinck und Maria Agnes Dyckhoff.
Aus dieser Ehe stammt die Tochter Maria Agnes. Durch die Heirat von Tochter Maria Agnes mit Johann Heinrich Trentmann ging der
Besitz an dem Schwiegersohn über. Dieser betrieb einen regen Warenhandel im gesamten Münsterland, Köln, Zwolle, Amsterdam und
Wolfenbüttel. Die Besitzer der Alten Post waren freie Bürger, die nicht wie andere Bürger vom Haus Steinfurt im direkten
Abhängigkeitsverhältnis standen. Das durch den seitlichen Vorbau bedingte Zurücktreten des Giebels bot eine Freifläche vor
dem großen Tennentor Platz zur Einfahrt der Pferdewagen auf die Tenne zum Be- und Entladen der Waren. Der ständische Warenaustausch
und der damit verbundene Gebrauch von Pferden und Wagen führte zu einer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Drensteinfurt.
Neben der alten Post befand sich eine Wagenbauerwerkstatt(später Haus Pläster). Dicke Baumstämme vor der Tür waren das wichtigste
Material zur Herstellung der Wagen aus Holz. Später, als die Eisenbahn und die ersten Autos den Pferdewagen verdrängten und die
Alte Post ihre Funktion verlor, wurden nur Sturzkarren für die Landwirte hergestellt. Die Holzräder wurden über die Mühlenstraße
bis zur Schmiede (später Schmand) gerollt, in der sie bereift wurden. Der Besitzer Bernhard Trendmann Posthalter nutzte das
Gebäude als Poststation, mit Unterbringung der Pferde und Stellplatz für Kutschen, die Personen und Güter beförderten. Mit der
strukturellen Veränderung wurden auch bauliche Veränderungen getroffen. Die Innenwände der Alten Post wurden zum Teil umgesetzt
und die Möglichkeit der Bewohnung wurde aufgegeben.
Verschiedene Eigentümer
Der Besitz zersplitterte und verteilte sich auf verschiedene Eigentümer. Bernhard, der Sohn von Bernhard Trentmann und seine Frau Sophia übernahm den Besitz, als die Zeit der Fachwerkhäuser überholt war. Vor dem zweiten Weltkrieg stellte Heinrich Franke in der Alten Post seinen Omnibus unter, hier hatte er eine Autoreperaturwerkstatt.
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Vorübergehend fertigte der Holzschuhmacher Geermann in dem Haus Holzschuhe. Männe Trentmann betrieb zur jener Zeit seine Zichorienbrennerei und später seine Pramerie (Rübenkrautherstellung). Nach dem Krieg befand sich im Gham Bregenhorns Schuhmacherwerkstatt und im hinteren Teil des Hauses eine Weinhandlung. Nach dem zweiten Weltkrieg in dem die Alte Post im Gegensatz zu den anderen Fachwerkhäusern unzerstört blieb, wurde das Interesse für die Fachwerkhäuser neu entdeckt. Die Erben waren aus Kostengründen nicht in der Lage das Gebäude zu halten oder zurenovieren. Die Stadt Ahlen, die an der Alten Post interessiert und schon 1952 an Bernhard Trentmann herrangetreten war, erwarb 1968/69 das Gebäude vom Besitzer Bernhard Kimmel. Der Abbruch, das Umsetzen, der Transport und der Wiederaufbau des Gebäudes hätten eine hohe Summe verursacht und brachten die Ahlener Stadtväter wieder von ihrem Plan ab. Die Drensteinfurter Heimatfreunde und die Kommunalpolitiker erkannten den Wert der Alten Post, um sie im Stadtkern zu behalten. Die Stadt Ahlen, die das Geäude bereits gekauft hatte, kam den Drensteinfurtern sehr entgegen, indem sie auf das Ackerbürgerhaus verzichteten und es in Drensteinfurt beließen. Nach langen Hin und Herr kam es zwischen dem Besitzer, der Familie Kimmel, der Stadt Ahlen und der Stadt Drensteinfurt zur Einigung, die das Gebäude mit Grundstück im Jahr 1975 erwerben konnte. Im Herbst 1976 wurde mit der Durchbaumaßnahme Alte Post begonnen. Bei der Umgestaltung des Gebäudes galt als wichtigstes Gebot, den historischen Charakter zu wahren. Bei der Aussenansicht wurden nur einige Fenster (Bleiverglasung)zusätzlich eingebaut, die sich harmonisch in der Gesamtarchitektur einfügen. Im Inneren des Gebäude gestaltete sich das Verändern als schwieriger, um die historisch vorgesehenen Strukturen mit der neuen Nutzung zu vereinbaren. Im hinteren Teil des Gebäudes wurde die Upkammer wieder eingebaut, unter der die Toilettenräume Platz fanden. Im Erdgeschoß wurden die räumlich vorgegebene Situation, Upkammer, Herdfeuerbereich und die große Tenne, aus der die Hillen entfernt wurden, erhalten. Der Kamin und die Spindeltreppe wurden an ihrem Standort belassen, zusätzlich wurden zwei Treppenhäuser aufgenommen. Das eine fügt sich in den seitlichen Vorbau und das zweite an der Südwestseite unsichtbar im Gebäude ein. Im Obergeschoß enstanden ein Konferenzraum, das Bürgermeisterzimmer und zwei Fraktionsbüros sowie eine Hausmeisterwohnung. Das alte Gebäude, das bis 1976 zum Verfall drohte, erwachte nach seiner Sanierung aus dem Dornröschenschlaf und wurde zur zentralen Mitte sowie das Herzstück von Drensteinfurt...
Galerie damals
Fotos: Archiv W. Bockholt