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Besichtigung Druckhaus der Westfälischen Nachrichten

Bericht: Holger Martsch

Wie wird eine moderne Tageszeitung heute hergestellt? Davon konnten sich 47 Drensteinfurter Heimatfreunde am Freitag, den 27. Januar 2017, ein lebendiges Bild vor Ort in Münster machen. In die Wege geleitet hatte die Exkursion Vereinsmitglied Günter Neuer, im Verlagshaus Aschendorff als Schichtleiter der Anzeigensatzabteilung seit vielen Jahren tätig.

Nach Ankunft und Begrüßung im Zeitungshaus an der Hansalinie gab es zunächst einen fantasievoll inszenierten Imagefilm anzuschauen, der die Besucher durch die mehr als 250-jährige Geschichte des Verlags führte. Im Anschluss daran erläuterten drei versierte junge Damen, Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Abteilungen, das Prinzip des modernen Vierfarb-Offset-Druckverfahren für Tageszeitungen. Jedes Bild, jede farbige Grafik oder Anzeige wird in der Druckvorstufe in vier Farbkanäle separiert: Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz, woraus vier verschiedene Druckplatten je Zeitungsseite resultieren. Im Zusammendruck ergeben sie das farbige Bild, das unter der Lupe betrachtet, aus einer rosettenförmig angeordneten Kombination von verschieden großen Rasterpunkten besteht. Drucktechnisch sind die Westfälischen Nachrichten Weltmeister, gibt es doch einen regelmäßig stattfindenden weltweiten Wettbewerb, bei dem sie in puncto Druckqualität als Sieger hervorgegangen sind. Neben einem fein austarierten, automatisierten Druck- und Druckvorstufenprozess ist letztendlich immer noch das menschliche Beurteilungsvermögen entscheidend. Das maßgebende Quäntchen mehr oder weniger Farbe, das eben zu dem herausragenden Druckergebnis führt, liegt immer noch in den Händen erfahrener Spezialisten. Zeitungspapier ist im Grunde ein minderwertiger Bedruckstoff: vergleichsweise rauhe Oberfläche, geringer Weißegrad, relativ dünn, mit einem Quadratmetergewicht von etwa 45 Gramm nur halb so schwer wir Drucker- oder Schreibmaschinenpapier. Es besteht heute übrigens fast vollständig aus wiederverwerteten „recycelten“ Papierfasern. Erstaunlich somit, welch farbkräftige Bildwiedergabe erreicht wird. Zeitungs-Druckfarbe ist, im Gegensatz zur Farbe für Buch- oder Bogenoffsetdruck, eine stark ölhaltige, flüssige Emulsion, wobei das Öl lediglich als Transportmittel für die Farbpigmente dient. Diese lagern sich beim Druckvorgang an der Papieroberfläche an, während das Öl in das Papier wegschlägt. Beim qualitativ hochwertigen Druck von illustrierten Büchern oder Zeitschriften hingegen werden Druckpasten von cremiger Konsistenz verwendet. Sie haben die Eigenschaft, im Trocknungsprozess nach dem Druck mit dem Sauerstoff der Luft zu reagieren, zu polymerisieren, und so ein wischfestes, dauerhaft haltbares Bild zu erzeugen. Der Buchverlag Aschendorff hat seinen Sitz im historischen Verlagsgebäude am Bremer Platz in Münster. Die Verlagsprodukte, darunter sehr viel Literatur über Münster und Westfalen, werden aber, was Druck und Weiterverarbeitung angeht, schon seit einer ganzen Reihe von Jahren nicht mehr in der eigenen Bogenoffsetdruckerei und Buchbinderei produziert, sondern in andere Hände gegeben.

Bei Aschendorff laufen die Zeitungsdruckmaschinen „rund um die Uhr“, denn zusätzlich, neben den „Westfälischen Nachrichten“ fertigen sie eine Vielzahl von periodisch erscheinenden, zeitungsähnlichen Produkten, zum Beispiel Nachrichten für das Handwerk. Diese laufen als Auftragsarbeit für andere Verlagshäuser. Hinzu kommen unterschiedlichste Werbebeilagen, beispielsweise für die großen Elektronik- und Haushaltsgeräte-Anbieter oder Möbelhausketten. Günter Neuer zeigte, was mit der modernen KBA-Maschine alles möglich ist: zum Beispiel der Druck von Super-Panoramaseiten. Seine Anzeigen-Produktionsabteilung ist gut ausgelastet, gestaltet sie doch nicht nur für die WN, sondern auch für andere gedruckte Medien Anzeigen und gibt sie über das Datennetz weiter.

Während des laufendes Betriebs bekamen die Besucher modernes „Hightech“ zu sehen. Das Zeitungsdruckpapier liefern die Hersteller in tonnenschweren Rollen an. Von ihren Rollenträgern im Kellergeschoss zieht sich die Maschine den Bedruckstoff in ihre Türme mit den Farbwerken. Bedrucken, Schneiden, Falzen – alle Arbeitsgänge erledigt die Zeitungsrotation in einem Durchgang. Die neueste Druckmaschine von KBA hat gewaltige Dimensionen, ist mehrere Stockwerke hoch. Sie kann theoretisch in einer Stunde 120.000 vielfarbig bedruckte Zeitungen ausgeben. Über Schuppenausleger und Transportbahnen gelangen die fertigen Druckprodukte schließlich in die Versandabteilung, wo sie, entsprechend dem Bestimmungsort und der benötigten Auflage, gebündelt und paketiert werden. In der Versandhalle stehen Kleintransporter bereit, welche die Tageszeitung in alle Himmelsrichtungen zu den Verteilpunkten im gesamten Verbreitungsgebiet bringen.

Mit einer Auflage von rund 220.000 Exemplaren täglich gehören die „Westfälischen Nachrichten“ zu den führenden Zeitungshäusern in Nordrhein-Westfalen. Heute stellt sich insbesondere die Frage nach den Zukunftsaussichten der Zeitung in gedruckter Form. Dies wurde auch durch entsprechende Fragestellung seitens der Heimatfreunde deutlich. Denn durch die digitale Revolution haben die Tageszeitungen bedrohliche Konkurrenz erhalten, bundesweit ist ein erheblicher Leserschwund Jahr für Jahr zu verzeichnen. Doch im Münsterland, einer wirtschaftlich stabilen und vergleichsweise wohlhabenden Region, halten sich Abonnementskündigungen bisher in moderaten Grenzen. Entscheidend ist auch, wie die Zeitung den Ansprüchen und Einstellungen ihrer Leserschaft Rechnung trägt.

Trotz der Komplexität technischer Abläufe im Druckprozess, die nicht immer leicht zu begreifen sind, nahmen die Besucher aus Drensteinfurt ein dickes Paket neuer Eindrücke mit nach hause. Sie haben eine Vorstellung davon gewonnen, wie Zeitungsproduktion hier und heute funktioniert.