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„Paoläsen“ auf neuem Schnadestein

Rund 130 Bürger nehmen an „Grenzbegehung“ des Heimatvereins teil

VON MECHTHILD WIESRECKER

Drensteinfurt – An der Grenze zu Herbern – am Hof Brüse/Gunnemann, In der Rieth 9 – hat der Heimatverein einen neuen Grenzstein aufgestellt. Am Sonntag wurde der Stein, auf dessen Vorderseite das Wappen der Stadt eingemeißelt ist, unter großer Beteiligung der Bevölkerung mit dem traditionellen „Paoläsen“ des Bürgermeisters eingeweiht.
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Rund 130 Drensteinfurter waren am Sonntagvormittag zum Hof Waldmann gekommen, um gemeinsam mit den Heimatfreunden den Schnadegang zu gehen. Angeführt von der Rentnerband, machten sich die Heimatfreunde und ihre Gäste bei herrlichstem Wetter auf den Weg zum Hof Brüse/Gunnemann. Hier, an der Grenze zwischen Herbern und Drensteinfurt, steht der neue, rund 400Kilogramm schwere Grenzstein, fest im Boden verankert mit einer einbetonierten, 80 Zentimeter langen Eisenstange. Bevor der Stein enthüllt wurde, gab es eine kleine musikalische Begrüßung durch die Jagdhornbläser. „Wir befinden uns hier an einer historischen Stelle“, informierte der Vorsitzend Franz-Josef Naber und verwies nicht nur auf die Stadtgrenze, sondern auch auf die Kreisgrenze zwischen Warendorf und Coesfeld und den Jakobsweg von Osnabrück nach Lünen. „Wir haben diese Stelle bewusst ausgesucht und sind der Familie Brüse/Gunnemann dankbar, dass wir den Stein hier aufstellen durften.“ Holger Martsch informierte ausführlich über die Tradition des Schnadegangs, des „Paoläsen“, und des Vermessungswesens. Bürgermeister Carsten Grawunder bedankte sich beim Heimatverein, der mit dem Schnadegang dazu beitrage, die Geschichte lebendig zu halten. „Ich hoffe, ihr habt nicht so dünne Stöckchen dabei, mit der Diät hat das nicht so geklappt“, witzelte er, mit Blick auf das Paoläsen

Der Herberner Josef Wernsmann, Mitglied im Vorstand des Westfälischen Heimatbundes, erinnerte in der traditionellen Tracht des Kiepenkerls an dessen Rolle, die seinerzeit der wichtigste Informationsträger gewesen sei. Damals habe es noch keine Zeitung gegeben, die erst ab etwa 1848 aufkam – etwa zur gleichen Zeit wie die Banken. „Der Kiepenkerl wusste wo es Geld zu leihen gab, wo Frauen im heiratsfähigen Alter lebten und wo eine Kuh verkauft wurde“, stellte er schmunzelnd fest. Steinmetzmeister Jens Herzog, der den Grenzstein aus Ibbenbürener Standstein hergestellt hat, meldete sich kurz zu Wort. „Es werden nur Menschen vergessen, die keine Spuren hinterlassen. Mir ist das hier gelungen“,teilte er fröhlich mit. Dann endlich läuteten die Jagdhornbläser den von vielen erwarteten Moment ein. Unter Trommelwirbel und dem Applaus der Zuschauer wurde Bürgermeister Carsten Grawunder von vier Mitgliedern des Heimatvereins auf Stöcken hochgehoben und einige Male auf den Stein aufgesetzt. Neben dem Grenzstein steht eine neue, aus massivem Eichenholz gebaute Ruhebank, angefertigt vom Holzkünstler Andreas Stentrup. Sie lädt Spaziergänger und Radfahrer zum Verweilen an der Grenze ein. Im Anschluss lud der Heimatverein auf den Hof Brüse/Gunnemann zum gemütlichen Beisammensein ein.

Die Traditionen

„Schnade“ bedeutet Grenze, somit ist ein Schnadegang ein Grenzgang. Die Tradition reicht in eine Zeit zurück, als statt Hecken und Bäumen erstmals Grenzsteine gesetzt wurden, um die Gemeindegrenzen zu definieren und die Bürger davon in Kenntnis zu setzen. Zur Kontrolle des richtigen Standortes des Steins fand eine amtliche Grenzbegehung statt. Diese wurde alle zwei bis drei Jahre wiederholt. Einen der ältesten schriftlich überlieferten Schnadegänge gab es in Neuenrade im Märkischen Kreis im Jahr 1450. „Paoläsen“ (auch Poaläsen genannt) leitet sich von Stein (Poal) und Hinterteil (Ääs) ab. Der „Poaläsende“ wird von den Schnadegängern mit dem Hinterteil auf den Stein mehrmals aufgetitscht, um den Standort des Grenzsteins nachhaltig bewusst zu machen. An einigen Orten mussten sich Neubürger dem „Poaläsen“ unterziehen. Damit wurden aus den Neubürgern „Poalbürger“ (Alteingesessene)